Brevet 400 km ARA Kiel, 21.05.2009
Verfasst: So Mai 24, 2009 21:01
400 km – nach Plan genau 416 km – sind schon eine Hausnummer (nur auf Dauer wollte ich da nicht wohnen). Am Feiertag Christi-Himmelfahrt trafen sich 20 wackere Recken an der Schwentinemündung, um diese Strecke unter die flotten Räder zu nehmen. Großenteils bekannte Gesichter, darunter die Nortorfer Haudegen Jens, Anselm und Kalle, Dirk (unser Fotograf) von den Kattenbergern, Ludger und Rüdiger von Audax SH, Thorsten, Thies, Holger aus Kiel.
7 Uhr, eitel Sonnenschein, es konnte losgehen, wenn da nicht noch Liegeradler Björn aus Hamburg gerade eingetroffen wäre und Stefan die Anmeldung noch mal öffnete. Dann ging es auf die Strecke, die mir sehr bekannt vorkam, ob nun vom 300er oder 200er Brevet von Knut. Bei km 53, der ersten Kontrolle in Rendsburg waren wir noch alle zusammen, aber wer seinen Stempel hatte, mochte auch nicht warten und fuhr davon. Jetzt bloß nicht trödeln, stempeln, aufsitzen, hinterher, was das Zeug hält. Gottlob kamen Hase und Igel aus Buxtehude an mir vorbei, so dass ich mich anhängen konnte und wir die Truppe bald wieder einholten – wie schön das Leben doch sein kann! Wir fuhren nun eine Weile am Kanal entlang, bei km 73 mit der Fähre Oldenbüttel südwärts Richtung Elbe, wo uns in Glückstadt bei km 135 die zweite Stempelstelle erwartete. Hier begnügten sich einige schon nicht mehr nur mit Stempel, sondern kauften emsig Verpflegung ein, ich hatte also eine faire Chance, dranzubleiben.
So ein Brevet hat eigene Gesetze, die sich je nach Länge nochmal unterscheiden. Für mich galt es, anständig durchzukommen, gerne auch ein gutes Stück im Schutz der Gruppe, schattig und ohne Auseinandersetzung mit der kniffligen Wegbeschreibung, Kilometer fressen bei Sonnenschein, ein guter Flow. Es lief gut, fast zu gut, die Nadel zeigte 35 und ich habe Zeugen, die mich bei dem Tempo auch vorne gesehen haben. Als sich das aber mehrere Male wiederholte, hätte ich den Lenker bald aufgefressen und ein edler Ritter vom Radhaus Bordesholm (Martin) rückte wie von selbst an meinen Platz. Kontrolle 3 Henstedt-Ulzburg war bei km 182 erreicht, die Kollegen tankten auf, ich setzte weiter auf Datteln mit Apfelschorle, ein Rezept, das Onkel Jens schon über das Atlasgebirge in Marokko gebracht hat.
Weiter ging der flotte Ausflug zum Feiertag Richtung Lübeck, einige Reiter hatten sich schon zurückfallen lassen, da kam ich ins Grübeln darüber, was ich eigentlich tue, wollte ich Radfahren doch als Gesundheitssport betreiben, da waren 7 Stunden für fast die halbe Strecke zu hastig, so schnell fuhr ich sonst nicht mal einen 200er, von einigen scherzhaft Sprintmarathon genannt. Ruhig wollte ich es angehen lassen, mich entspannen, einen Brevet wie einen Kurzurlaub genießen (Armin), also kam mir ein alpiner Hügel gerade recht, mich rausfallen und die Kameraden ziehen zu lassen. Bei der ersten Kreuzung hielt ich an, um mich in 5 Karten und die 3seitige Beschreibung zu vertiefen, deren Schrift gerne dreimal größer sein dürfte, um auch während der Fahrt lesen zu können und nicht jedesmal anhalten zu müssen, aber einem echten Randonneur ist nichts zu schwer und ein solcher will ich schließlich werden.
Kontrolle 4 bei km 225 ist Reinfeld, da habe ich Verwandtschaft, aber an einen Besuch ist wohl nicht zu denken. Als ich dann unvermittelt direkt am Haus vorbeikomme, schelle ich an und lasse mich auf eine halbe Stunde bewirten. Die Familie hatte gerade eine Radtour von 25 km gemacht und damit den 13-jährigen Spross an seine Grenzen gebracht. An der Kontrolle K4 treffe ich Mike aus Hamburg, Dirk und Michael. Ein freundlicher Mann stempelt meinen Pass routiniert und meint, ihm täte nach 50 km schon alles weh. Das sei bei mir nach 100 km auch nicht anders, konnte ich ihn trösten. Er und seine Kollegin waren so gerührt, dass sie die Theke für uns auflösten und wir den Rest der leckeren Brötchen für lau aufessen durften, die Welt schien in Ordnung – bis auf ein Unwetter, das bedrohlich heraufzog. Da stand ich nun mit meinem Hemdchen, dagegen waren Dirk und Michael für alles gerüstet und machten sich wie zwei Astronauten davon. In der Ruhe liegt die Kraft, zur Ausdauer gehört auch Geduld, Gewitter kommen und gehen auch wieder, das Ganze dauerte eine Stunde und war aus sicherem Trockendock gelassen anzuschauen.
Schließlich war der Spuk vorbei, die Sonne prallte auf dampfenden Asphalt, der Sturm hatte sich in eine sanfte Brise gewandelt. Fertigmachen, aufsitzen, volle Kraft voraus ging es nordwärts über Eutin, Schönwalde am Bungsberg zur Kontrolle 5 in Lensahn bei km 292. Die beiden Unwettertrotzer hatten wir im ersten Drittel an einer Pizzeria gestellt, deren Versuchungen Mike nicht widerstehen mochte. Ich wartete, dafür war ich auf eine Portion Nudeln Napoli eingeladen, eine nette Geste. Lensahn erreichten wir noch im Hellen, wieder ARAL und die beiden Kollegen eingeholt.
Der Rest ist schnell erzählt, eine Schlinge an Dahme vorbei nach Heiligenhafen, Kontrolle 6 bei km 321, frei gewählte Stempelstelle in einer Pizzeria so um Mitternacht, dann Oldenburg über die idyllische, mit Wild gespickte Südschleife Hansühn, Kletkamp nach Lütjenburg und weiter nach Schönberg, Kontrolle 7 bei km 389, hier war ich schon längst in meinem Revier und nicht mehr zu bremsen, so dass die letzte Stempelstelle, JET am Ostring in Kiel bei km 416 um 03:30 zügig erreicht wurde und ich schließlich kurz vor vier in aufsteigender Dämmerung wieder zuhause ankam.
Fazit: Eine wunderbare Tour auf abwechslungsreicher Strecke, hart aber herzlich, freundlich ausgelassene Leute überall, erstaunlich wenig Verkehr, bedingt durch Vaddertach viele Scherben, die aber keinen Platten eingefahren haben. Ich bin solide durchgekommen, offenbar hatte ich einen guten Tag und mit wackeligem Lager im Hinterrad Glück dazu.
Nachtrag: Weshalb machen Menschen so etwas? Kann es ein Motiv sein, an seine Leistungsgrenzen zu gehen, wozu? Ich weiß es nicht, habe meine Grenzen aber erkennen müssen beim Westküsten Radmarathon über 220 km nur zwei Tage später in Wesseln, wo ich schon vermisst wurde und schließlich als Letzter ins Ziel gekommen bin.
7 Uhr, eitel Sonnenschein, es konnte losgehen, wenn da nicht noch Liegeradler Björn aus Hamburg gerade eingetroffen wäre und Stefan die Anmeldung noch mal öffnete. Dann ging es auf die Strecke, die mir sehr bekannt vorkam, ob nun vom 300er oder 200er Brevet von Knut. Bei km 53, der ersten Kontrolle in Rendsburg waren wir noch alle zusammen, aber wer seinen Stempel hatte, mochte auch nicht warten und fuhr davon. Jetzt bloß nicht trödeln, stempeln, aufsitzen, hinterher, was das Zeug hält. Gottlob kamen Hase und Igel aus Buxtehude an mir vorbei, so dass ich mich anhängen konnte und wir die Truppe bald wieder einholten – wie schön das Leben doch sein kann! Wir fuhren nun eine Weile am Kanal entlang, bei km 73 mit der Fähre Oldenbüttel südwärts Richtung Elbe, wo uns in Glückstadt bei km 135 die zweite Stempelstelle erwartete. Hier begnügten sich einige schon nicht mehr nur mit Stempel, sondern kauften emsig Verpflegung ein, ich hatte also eine faire Chance, dranzubleiben.
So ein Brevet hat eigene Gesetze, die sich je nach Länge nochmal unterscheiden. Für mich galt es, anständig durchzukommen, gerne auch ein gutes Stück im Schutz der Gruppe, schattig und ohne Auseinandersetzung mit der kniffligen Wegbeschreibung, Kilometer fressen bei Sonnenschein, ein guter Flow. Es lief gut, fast zu gut, die Nadel zeigte 35 und ich habe Zeugen, die mich bei dem Tempo auch vorne gesehen haben. Als sich das aber mehrere Male wiederholte, hätte ich den Lenker bald aufgefressen und ein edler Ritter vom Radhaus Bordesholm (Martin) rückte wie von selbst an meinen Platz. Kontrolle 3 Henstedt-Ulzburg war bei km 182 erreicht, die Kollegen tankten auf, ich setzte weiter auf Datteln mit Apfelschorle, ein Rezept, das Onkel Jens schon über das Atlasgebirge in Marokko gebracht hat.
Weiter ging der flotte Ausflug zum Feiertag Richtung Lübeck, einige Reiter hatten sich schon zurückfallen lassen, da kam ich ins Grübeln darüber, was ich eigentlich tue, wollte ich Radfahren doch als Gesundheitssport betreiben, da waren 7 Stunden für fast die halbe Strecke zu hastig, so schnell fuhr ich sonst nicht mal einen 200er, von einigen scherzhaft Sprintmarathon genannt. Ruhig wollte ich es angehen lassen, mich entspannen, einen Brevet wie einen Kurzurlaub genießen (Armin), also kam mir ein alpiner Hügel gerade recht, mich rausfallen und die Kameraden ziehen zu lassen. Bei der ersten Kreuzung hielt ich an, um mich in 5 Karten und die 3seitige Beschreibung zu vertiefen, deren Schrift gerne dreimal größer sein dürfte, um auch während der Fahrt lesen zu können und nicht jedesmal anhalten zu müssen, aber einem echten Randonneur ist nichts zu schwer und ein solcher will ich schließlich werden.
Kontrolle 4 bei km 225 ist Reinfeld, da habe ich Verwandtschaft, aber an einen Besuch ist wohl nicht zu denken. Als ich dann unvermittelt direkt am Haus vorbeikomme, schelle ich an und lasse mich auf eine halbe Stunde bewirten. Die Familie hatte gerade eine Radtour von 25 km gemacht und damit den 13-jährigen Spross an seine Grenzen gebracht. An der Kontrolle K4 treffe ich Mike aus Hamburg, Dirk und Michael. Ein freundlicher Mann stempelt meinen Pass routiniert und meint, ihm täte nach 50 km schon alles weh. Das sei bei mir nach 100 km auch nicht anders, konnte ich ihn trösten. Er und seine Kollegin waren so gerührt, dass sie die Theke für uns auflösten und wir den Rest der leckeren Brötchen für lau aufessen durften, die Welt schien in Ordnung – bis auf ein Unwetter, das bedrohlich heraufzog. Da stand ich nun mit meinem Hemdchen, dagegen waren Dirk und Michael für alles gerüstet und machten sich wie zwei Astronauten davon. In der Ruhe liegt die Kraft, zur Ausdauer gehört auch Geduld, Gewitter kommen und gehen auch wieder, das Ganze dauerte eine Stunde und war aus sicherem Trockendock gelassen anzuschauen.
Schließlich war der Spuk vorbei, die Sonne prallte auf dampfenden Asphalt, der Sturm hatte sich in eine sanfte Brise gewandelt. Fertigmachen, aufsitzen, volle Kraft voraus ging es nordwärts über Eutin, Schönwalde am Bungsberg zur Kontrolle 5 in Lensahn bei km 292. Die beiden Unwettertrotzer hatten wir im ersten Drittel an einer Pizzeria gestellt, deren Versuchungen Mike nicht widerstehen mochte. Ich wartete, dafür war ich auf eine Portion Nudeln Napoli eingeladen, eine nette Geste. Lensahn erreichten wir noch im Hellen, wieder ARAL und die beiden Kollegen eingeholt.
Der Rest ist schnell erzählt, eine Schlinge an Dahme vorbei nach Heiligenhafen, Kontrolle 6 bei km 321, frei gewählte Stempelstelle in einer Pizzeria so um Mitternacht, dann Oldenburg über die idyllische, mit Wild gespickte Südschleife Hansühn, Kletkamp nach Lütjenburg und weiter nach Schönberg, Kontrolle 7 bei km 389, hier war ich schon längst in meinem Revier und nicht mehr zu bremsen, so dass die letzte Stempelstelle, JET am Ostring in Kiel bei km 416 um 03:30 zügig erreicht wurde und ich schließlich kurz vor vier in aufsteigender Dämmerung wieder zuhause ankam.
Fazit: Eine wunderbare Tour auf abwechslungsreicher Strecke, hart aber herzlich, freundlich ausgelassene Leute überall, erstaunlich wenig Verkehr, bedingt durch Vaddertach viele Scherben, die aber keinen Platten eingefahren haben. Ich bin solide durchgekommen, offenbar hatte ich einen guten Tag und mit wackeligem Lager im Hinterrad Glück dazu.
Nachtrag: Weshalb machen Menschen so etwas? Kann es ein Motiv sein, an seine Leistungsgrenzen zu gehen, wozu? Ich weiß es nicht, habe meine Grenzen aber erkennen müssen beim Westküsten Radmarathon über 220 km nur zwei Tage später in Wesseln, wo ich schon vermisst wurde und schließlich als Letzter ins Ziel gekommen bin.